Gunung Agung und die Krise

Der Gunung Agung gibt keine Ruhe und die Krise dort sorgte für internationales Aufsehen, welches zu einer Schlammschlacht in den Medien führte. Diesbezüglich ist kürzlich ein Artikel in der Huffington Post erschienen, indem der balinesischen Regionalverwaltung vorgeworfen wird Entscheidungen entgegen internationalen Standards zu treffen, um den Tourismus zu stärken. In der Tat sind die Touristenzahlen auf Bali sehr stark eingebrochen. Manche Medien sprechen von einer Stornierungsquote von bis zu 90%. Dies trifft sehr viele Menschen auf Bali hart, die direkt und indirekt vom Tourismus leben. Last, but not least, leidet die Bevölkerung im direkten Umkreis des Vulkans. Derzeit sollen ca. 60.000 Menschen in Notunterkünften leben. Sie wohnten im Sperrgebiet und sind nicht selten Farmer und Bauern, die ihre Höfe im Stich lassen mussten. Und dann sind da noch die Steinbruchbetriebe, in denen Material vom Gunung Agung abgebaut wird um Schotter und Sand herzustellen. Ohne diese Rohstoffe kommen Bauvorhaben zum erliegen. All diese Menschen sind nun quasi ohne Einkommen. Soziale Absicherungen wie bei uns gibt es in Indonesien praktisch nicht. Die Menschen sind teilweise gezwungen ihrer Arbeit im Sperrgebiet nachzugehen. Was für uns Sicherheit verwöhnten Europäern unvorstellbar erscheint, ist in anderen Ländern Alltag. Unter diesen Aspekten relativieren sich die oft kritisierten Entscheidungen der Regionalverwaltung etwas.

Die Situation muss aber auch aus der Perspektive der Touristen betrachtet werden. Selbst wenn sie derzeit auf Bali nicht unmittelbar in Lebensgefahr sind, solange sie außerhalb des Sperrgebiets unterwegs sind, müssen sie dennoch mit Beeinträchtigungen rechnen. Selbst relativ kleine Ascheeruptionen können den Flugverkehr beeinträchtigen, was auch zu Beginn der Eruption eingetreten ist. Der Flughafen auf Bali musste zeitweise geschlossen werden. Die Schließung dauert nur 2 Tage, dennoch saßen noch eine Woche nach Öffnung des Flughafens zahlreiche Passagiere fest. Die versprochenen Busse wurden scheinbar nicht angemietet. Das Problem war, dass internationale Fluggesellschaften den Flughafen nicht anflogen, selbst als er geöffnet war. Zu groß ist die Angst, dass feinste Vulkanasche-Partikel die teuren Triebwerke beschädigen könnten, selbst wenn die Maschine noch sicher landen würde. Von daher muss sich jeder Bali-Urlauber auf  potenzielle Unbequemlichkeiten einstellen. Doch wer damit Leben kann, der kann auch jetzt noch einen Urlaub auf Bali genießen, zumal die Strände und Tempel nun fast menschenleer sind. Die Wahrscheinlichkeit in einer Katastrophe zu landen, die die gesamte Region beeinflusst ist gegeben, aber niemand kann tatsächlich einschätzen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass so etwas kurzfristig eintritt. Leider kann man auch nicht sagen, wie lange diese potenzielle Gefahr bestehen bleibt.

 Was Vulkanologen aussagen können

Die Vulkanologen vor Ort fühlen dem Vulkan den Puls und sammeln Daten über das Geschehen. Sie informieren die Behörden, welche für Erlasse, wie Sperrgebiete, oder Evakuierungen zuständig sind. Meistens können sie sagen, dass sich der Vulkan auf eine Eruption vorbereitet, wissen aber nicht genau, wann der Vulkan ausbrechen wird, oder wie groß die Eruption sein wird. Wissenschaftler müssen sich an belegbare Fakten halten und können keine Vorhersagen anhand von Spekulationen, oder persönlichen Einschätzungen treffen. Sollten sie es trotzdem tun, müssen sie im Falle einer falschen Vorhersage damit rechen Verklagt zu werden. Leider fehlen oft die Ressourcen Aufklärungsarbeit zu leisten und eben die rechtliche Basis Vorhersagen zu treffen. Im Falle des Gunung Agung kommt erschwerend hinzu, dass der Vulkan selten ausbricht und kaum verlässliche Langzeitstudien vorliegen. Zudem verhält sich der Vulkan nicht unbedingt so, wie man es von ihm anhand der Messwerte erwarten würde. Dies macht verlässliche Prognosen praktisch unmöglich.

Im aktuellen Fall des Gunung Agung leisten die Vulkanologen bestimmt gute Arbeit. Kollege Bernard Duyck spricht in seinem Blog von 16 Wissenschaftlern die rund um die Uhr in 4 Schichten arbeiten. Nichts desto trotz nehme ich mir die Freiheit, die Informationspolitik zu kritisieren. In den täglichen Updates des PVGMB/VSI werden praktisch nur die visuellen Beobachtungen beschrieben und die Statistik der Seismik veröffentlicht. Dies legt aber nur einen Bruchteil der möglichen Daten offen. Updates über Inflation/Deflation, Gasausstoß, oder der Morphologie des Kraters werden nur sporadisch veröffentlicht und nicht weiter diskutiert. Die letzten Informationen über den Füllstand des Kraters sind 3 Tage alt. Gibt es keine weiteren Daten, oder will man eine Panik vermeiden? Wo bleibt mal eine vernünftige Drohne für regelmäßige Inspektion des Kraters, warum kein Hubschrauberflug (auf Bali kann man Rundflüge buchen), sobald es aufklart, wo sind die aktuellen Satellitenbilder? Bilder vom Sentinel-hub werden sogar unkenntlich gemacht, sehr wahrscheinlich, damit man sie kaufen muss. Fehlen die Mittel, gibt es keine internationale Unterstützung um Equipment bereit zustellen, oder gibt es religiöse Tabus? Diese Fragen stelle nicht nur ich, sondern auch einige Leser von vulkane.net auf Bali. Transparenz sieht in meinen Augen anders aus! Unter diesen Umständen darf man sich nicht wundern, wenn die Bevölkerung das Vertrauen in öffentliche Organe verliert und Furcht und Spekulationen Oberhand nehmen.

Was kann vulkane.net?

Ich richte mich mit vulkane.net in erster Linie an deutschsprachige Leserschaft. Ziel der Website ist es Interesse für den faszinierenden Wissenschaftszweig der Vulkanologie zu wecken, dem interessierten Laien Informationen an die Hand zu geben und natürlich über aktuelle Situationen an Vulkanen zu berichten. Die Daten hierfür trage ich aus dem Internet zusammen, meistens von den Webseiten der Observatorien, die in der Linkliste aufgeführt sind. Ich verfüge über Kontakte zu Wissenschaftlern, Vulkanführern und Anwohnern von Vulkangebieten. Ich versuche die Lücke zwischen Wissenschaftlern und Bürgern zu schließen, denn im deutschsprachigen Raum gibt es praktisch keine offizielle Anlaufstelle, die sich mit dem Thema Vulkanismus beschäftigt und Bürger (Reisende) informiert oder Tipps gibt. Einzig das Auswärtige Amt gibt Empfehlungen und Reisewarnungen für Krisengebiete. Vulkane.net ist kein offizielles Organ, sondern eine privat betriebene Website. Es gelten immer die Anweisungen und Empfehlungen der offiziellen Behörden/Vulkanologen vor Ort! Ich recherchiere so gewissenhaft, wie es mir möglich ist. Allerdings kann ich nicht jede Angabe externer Quellen überprüfen. Daher bin ich immer bemüht die Quellen anzugeben. Wenn ich persönliche Einschätzungen zum Besten gebe, mache ich diese durch entsprechende Formulierungen kenntlich. Diese sollen auch nicht als Prognosen verstanden werden, sondern schildern das, was ich für möglich halte. Ich mag die Situationen manchmal anders einschätzen als behördliche Stellen, ich stehe aber auch nicht unter oben beschriebenen Zwängen. Warum ich das hier betone? Im Rahmen der Berichterstattung über den Agung wurde ich häufig von Touristen und auf Bali lebenden Deutschen um meine Einschätzung gefragt, da sich die Menschen von offizieller Seite nicht richtig Informiert fühlten. Dies, und meine Kritik an einigen Entscheidungen der Behörden, sorgte in entsprechenden Kreisen scheinbar für eine „Verschnupfung“.

Internationale Vulkanologen haben sich schon vor längerem darauf geeinigt, dass immer nur das Institut berichtet, welches für den eruptierenden Vulkan zuständig ist. Meiner Meinung nach ist dies in Zeiten der Globalisierung und Digitalisierung, von Multimedia und Social Network und weltweitem Massentourismus  nicht zeitgemäß. Aus oben geschilderten Interessenskonflikten kann man kaum objektive Empfehlungen für Touristen von Quellen betroffener Länder erwarten. Das gilt natürlich für alle potenziell gefährdeten Gebieten in Vulkanregionen. Legt man die Sicherheit als einziges Kriterium an, dürfte z.B. der Großraum Neapel nicht bewohnt sein, schon gar nicht die Hänge des Vesuvs, oder der Calderabereich der Campi Flegrei. Auch hier stehen Vulkanologen und Behörden vor dem Dilemma: wann gibt man Alarm und evakuiert? All diese Gedanken verdeutlichen, wie verletzlich und komplex unsere moderne Welt geworden ist und wie unberechenbar die Natur geblieben ist.

Was kann der Leser tun?

Die Vulkanologische Gesellschaft e.V. (mit Sitz in Oberhausen) ist ein gemeinnütziger Verein, der berechtigt ist Spenden zu sammeln. Die Spendengelder und ein Teil der Vereinsbeiträge kommen Bildungs- und Forschungsprojekten zum Thema Vulkane zu Gute. Es sollen auch Opfer von Vulkankatastrophen unterstützt werden, sobald genug Geld zusammen gekommen ist.