Nördlinger Ries und Steinheimer Becken – zwei unabhängige Asteroideneinschläge in Deutschland?

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Rund 200 Krater wurden auf der Erde identifiziert, die durch den Einschlag von anderen Himmelskörpern geformt wurden. Davon liegen ungefähr eine Handvoll so nahe zusammen, dass sie gerne auf den Einschlag von Asteroiden mit Begleiter zurückgeführt werden.

Das klingt ja auch eigentlich ganz einleuchtend. Vor allem, wenn Alter und oder Erhaltungszustand (wenn das Alter nicht ermittelt ist) auch noch darauf hindeuten. Immerhin haben wir mit den rund 200 Einschlagstrukturen nicht allzu viele identifizierte Krater auf unserem Heimatplaneten. Eine deutliche räumliche Nähe könnt also auf einen tieferen Zusammenhang hindeuten.

Topografische Karte mit dem Nördlinger Ries und dem Steinheimer Becken. User Captain Blood on de.wikipedia (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:NoerdlingerRies_topo.jpg), „NoerdlingerRies topo“, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/legalcode

Asteroiden im Doppelpack

Auf der anderen Seite haben wir ja auch einige binäre Asteroiden kennengelernt, also Asteroiden, die einen kleineren Begleiter haben. Das Problem damit ist aber, dass der kleinere Begleiter meist so dicht um seinen zentralen Asteroiden kreist, dass er im Falle eines Einschlags auf der Erde keinen getrennten eigenen Krater schlagen würde [Bottke & Melosh 1996].

Außerdem bedeuten zwei dicht zusammen liegende Krater auch nicht automatisch, dass sie gemeinsam entstanden und auf ein binäres Asteroidenpaar zurückzuführen sind. Ich hatte einmal in voller Überzeugung die beiden Clearwater Krater in Kanada als gutes Beispiel für einen Doppeleinschlag genannt. Es dauerte nicht allzu lang, da musste ich hier wieder zurückrudern.

So etwas kann immer vorkommen, unser Wissen um die Welt schreitet voran. Es wird ja immer gesagt, dass in der Wissenschaft alles auch anzuzweifeln ist. Und so auch hier.

Außerdem haben wir selber hier in Deutschland ja ein sehr schönes Beispiel eines Doppeleinschlags, nämlich das Nördlinger Ries (nein, kein süddeutscher Verwandter von mir) und das benachbarte Steinheimer-Becken. So jedenfalls ist bislang meine Ansicht gewesen.

Möglicherweise ist aber diese Ansicht auch nicht zu halten.

Das Nördlinger Ries

Im Südwestdeutschen Stufenland, an der Grenze von Schwäbischer und Fränkischer Alb liegt das Nördlinger Ries, eine flache und nahezu kreisförmige Struktur von 20 bis 24 Kilometern Durchmesser, die sich klar und deutlich gegenüber der hügeligen Landschaft der Alb abhebt.

Die auffällige Struktur und auch die dort anstehenden Gesteine wie z.B. der Suevit ließen über viele Jahre die Auffassung aufkommen, hier handele es sich um eine vulkanisch geprägte Geländeform. Erst 1960 wurde das Nördlinger Ries als Ort eines großen Asteroideneinschlags erkannt.

Daran beteiligt war unter anderen der amerikanische Geologe Eugene Shoemaker, der mit seinem Kollegen Edward C. T. Chao die Minerale Stishovit und Coesit im Suevit nachweisen konnten [Shoemaker & Chao 1961].

Diese Minerale sind Hochdruckmodifikationen von SiO2. Die für ihre Bildung benötigten enormen Drücke können durch Vulkanismus nicht realisiert werden, sind aber bei Asteroideneinschlägen problemlos zu erreichen.

Typischer Suevit aus dem Ries. Im Handstück lassen sich gut die dunklen Impaktschmelzen erkennen. Johannes Baier (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Suevit_Aufhausen.JPG), „Suevit Aufhausen“, https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/legalcode

Das Nördlinger Ries ist nicht nur Deutschlands größter Meteoritenkrater und einer der größten in Europa, es ist auch vergleichsweise jung und gut erhalten. Entstanden ist es vor 14,6 Mio. Jahren (+/- 0,2) im Miozän, genauer gesagt im Langhium [Buchner et al. 2010][Schmieder et al. 2018].

Ursache war ein ca. 1 bis 1,5 Kilometer durchmessender Asteroid, der mit rund 15 bis eventuell 50 km/s in die Gesteine der Alb einschlug. Die dabei freigesetzte Energie entsprach dem Äquivalent von gut 100 000 Atombomben des Hiroshima Typs. Der Asteroid durchschlug die hier rund 600 m mächtigen mesozoischen Sedimente, die nachfolgende Explosion warf rund 150 km³ an Gesteinen aus. Die Auswurfmassen, auch als Distant Ries Ejecta Layer oder kurz DREL bezeichnet sind bis 180 Kilometer in das nördliche Alpenvorland befördert worden.

Das Steinheimer-Becken

Rund 40 Kilometer südwestlich des Nördlinger Ries findet sich ein weiterer, wenn auch mit nur 3,5 bis 3,8 Kilometern Durchmesser wesentlich kleinerer Einschlagskrater. Das Alter des Steinheimer-Beckens wird ebenfalls mit 14 bis 15 Millionen Jahren angegeben. Der Meteorit hatte vermutlich einen Durchmesser von 100 bis 150 m und eine Geschwindigkeit von rund 20 km. Die bei dem Einschlag freigesetzte Energie war zwar auch deutlich kleiner als die im benachbarten Nördlinger Ries, aber sie entsprach immer noch gut 18 000 Atombomben des Hiroshima-Typs.

Panoramablick in das Steinheimer Becken und auf den Zentralberg, vom Südrand (Burgstall) aus gesehen. Meier&Poehlmann (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Steinheimer_Becken_Panorama.jpg), „Steinheimer Becken Panorama“, https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/legalcode

Doppelschlag, oder doch nicht?

Während das Alter des Ries-Ereignisses mit durch Datierung gut belegt ist, gibt es so weit ich weiß nichts Vergleichbares für das Steinheimer Becken. Dennoch legen unter anderem der Erhaltungszustand und geologische Zusammenhänge ein den Nördlinger Ries vergleichbares Alter nahe. Immerhin so nahe, dass eine zeitgleiche Entstehung gemeinhin angenommen wird. Und dass der Impaktor des Steinheimer-Beckens als kleiner Satellit des Mutterkörpers gesehen wird, welcher das Nördlinger Ries schuf.

So war zumindest bislang der Stand der Wissenschaft. Neuere Untersuchungen zweifeln diese althergebrachte Sicht der Dinge an. Eine Arbeitsgruppe um Elmar Buchner von der Hochschule Neu-Ulm und dem Meteoritenkrater Museum Steinheim hat sich die sedimentären Ablagerungen in der Umgebung der Krater genauer angeschaut [Buchner et al. 2020].

Seismische Signale

Von besonderem Interesse zeigten sich die Seismit-Horizonte im nördlichen Alpenvorland.

Seismite sind sogenannte Eventablagerungen, die durch Erdbeben gebildet werden. Auch Meteoriteneinschläge setzen Erdbebenwellen frei. Vom sehr viel gewaltigeren Einschlag des Chicxulub-Kraters am Ende der Kreidezeit wird angenommen, dass die von ihm ausgelösten seismischen Wellen einem Erdbeben der Magnitude Mw 10 bis 11,5 gleich kommen. Bei Einschlägen wie dem Ries Ereignis dürften somit immer noch Erdbeben der Magnitude von rund Mw 8,5 ausgelöst werden. Der Einschlag des Steinheimer-Beckens hingegen war deutlich schwächer. Vermutlich sind die von ihm ausgelösten Erdbebenwellen im Bereich Magnitude 6,6 anzusiedeln.

Das bedeutet, dass Asteroideneinschläge wie unsere das Ries Ereignis und der in Steinheim deutliche Erdbeben auslösen und somit auch vergleichbare seismische Signale in Gesteinen hinterlassen können, zumindest in der Nähe der Einschlagsorte. Dabei ist das Ausmaß der seismischen Spuren, der Seismite, auch abhängig von den physikalischen Gegebenheiten der betreffenden Gesteine.

Durch die Impaktbeben kann in wasserführenden Sedimenten der Druck so ansteigen, dass er Material in überlagernde Sedimente drückt. Es entsteht ein Klastischer oder sedimentärer Dike. Diese sedimentären Strukturen können als paläoseismische Anzeiger benutzt werden. In diesem Fall sind bislang aber nur sehr wenige Funde Klastischer Dikes bekannt, die sich auf die Impaktbeben des Ries Ereignisses beziehungsweise des Steinheimer-Ereignisses zurückführen lassen [Sach et al. 2020].

Einige der gefundenen Klastischen Dikes durchschlagen die überlagernde Schicht der Ries Auswurfmassen sowie ungestörte Schichten, die nach dem Ries Ereignis entstanden sind. Diese Dikes sind also vermutlich nach dem Ries Ereignis entstanden und die zugehörigen Erdbeben müssen folglich andere Ursachen haben.

Neue Deutung

Diese Dikes, welche die Ablagerungen des Ries Impakts durchschlagen wurden jetzt dem Steinheimer Impakt zugeschrieben. Das bedeutet, dass der Einschlag in Steinheim deutlich nach dem Ries Ereignis stattgefunden haben muss. Darauf deuteten auch schon paläontologische Untersuchungen hin, welche einen zeitlichen Unterschied von 600 000 zu 1 Mio. Jahren zwischen den beiden Einschlägen nahelegten. Aufgrund der paläoseismischen Daten wurde der zeitliche Unterschied jetzt auf rund 500 000 Jahre datiert.

Die Deutung der beiden Krater als zwei voneinander unabhängige Einschlagereignisse könnte auch einige Daten erklären helfen, welche die mögliche Anflugrichtung der beiden Himmelskörper betrifft. Denn beim Steinheimer Becken deuten die Spuren auf einen aus nordwestlicher Richtung heranfliegenden Himmelskörper hin. Dagegen scheint der Meteorit des Ries Ereignisses mehr aus südwestlicher Richtung gekommen zu sein.

Es könnte also gut möglich sein, dass Süddeutschland im Miozän innerhalb von rund 500 000 Jahren gleich zweimal von kosmischen Geschossen getroffen wurde. Damit würde auch ein weiteres „Paradebeispiel“ für einen Doppeleinschlag verloren gehen.

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

5 Kommentare

  1. Zum Trost,
    im Nördlinger Ries hat man schwarze Diamanten gefunden. In einer Kirche in Stuttgart Ost sind der Fußboden und der Altar aus diesem Gestein mit den Schwarzen Diamanten.

  2. Zitat:

    Es könnte also gut möglich sein, dass Süddeutschland im Miozän innerhalb von rund 500 000 Jahren gleich zweimal von kosmischen Geschossen getroffen wurde.

    Gäbe es also einen erneuten Asteroideneinschlag irgendwann in naher Zukunft könnten wir uns nicht damit beruhigen, dass es das dann wohl war. Nein, schon 500‘000 Jahre später oder in noch kürzerem Abstand könnte es wieder krachen!

    Jetzt verstehe ich die Kelten langsam besser.

  3. Holzherr,
    als ich vom zweiten Einschlag las, lief es mir kalt über den Rücken.
    Ein dritter Einschlag ist nicht unmöglich.

  4. Hochinteressanter Gedanke, denn seinerzeit (1968) waren wir von einen Doppeleinschlag ausgegangen.
    Jetzt bin ich leider zu alt und pandemiebedingt sind Exkursionen dorthin auch nicht möglich. Es könnte dennoch interessant sein die Auswurfrichtungen durch geologische Befunde im Umfeld der Krater zu ermitteln. Leider ist die Aufschlußsituation in der Umgebung des Steinheimer Beckens nicht so ausgeprägt wie im Ries.
    Möglicherweise ließe sich eine Datierung durch Pollenanalyse durchführen, da, falls die Einschläge nicht zur gleichen Jahreszeit stattgefunden haben, dieser Befund unterschiedlich sein sollte.

  5. Die Größe des Ries-Asteroiden wird etwa um den Faktor 10 größer angegeben als beim Steinheimer-Asteroiden. Man würde daher bei vergleichbaren Geschwindigkeiten etwa die 10^3 = 1000-fache Energie beim Einschlag erwarten. Laut Artikel ist es aber weniger als das 6-fache.
    Wie passt das zusammen ?

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